Kinderhypnose - Ressourcen und innere Helfer

Ich kann aus meiner Erfahrung nur immer wieder dafür werben, gerade mit Kindern und Jugendlichen hypnotherapeutisch zu arbeiten, da die tolle Phantasie, Kreativität und Lebendigkeit der Kinder genutzt und eine wirklich kindgerechte Lösung gefunden werden kann.


Symbole, Bilder und Geschichten sind nach Erickson und Rossi (1966, 1976 und 1980) Möglichkeiten, direkt mit der rechten Gehirnhemisphäre in Verbindung zu treten.

Gerade Kindern liegt diese Sprache nahe. Sie sprechen durch ihr Spiel, durch Malen, Geschichten und Symbole.


Diese Art der Arbeit ist immer wieder sehr anregend für den Therapeuten, der mit seinem inneren Kind in Verbindung kommt und Abenteuer erleben kann, zu denen er sonst vielleicht weniger Zugang hätte.



Ressourcenarbeit in der Kinderhypnose


In der Kinderhypnose, genau wie bei der Erwachsenenhypnose, ist es zentral Ressourcen zu finden. So ist es möglich, die passenden Ressourcen zu finden, die helfen, ein Problem zu lösen. Es sind die Ressourcen des Kindes (oder des Jugendlichen), die es in eine andere Stimmung, in einen anderen Zustand versetzen, in dem es ihm möglich ist, Dinge anders zu sehen, zu hören, zu empfinden und/oder zu machen.

Eine Ressource kann ein Hobby sein, ein erlebter Erfolg, ein Talent, oder etwas, das das Kind besonders gerne tut. Es kann das Turnen sein, das Malen, Geschichten schreiben, Fußballspielen etc.. Aber natürlich können auch Metaphern von Stärke verwendet werden, wie ein Baum, ein Fels, ein Fluss etc..


David, 11 Jahre, der noch ins Bett machte (Enuresis nocturna) und sehr schüchtern war, berichtet: „Am Besten habe ich mich gefühlt, als ich am Samstag ein Tor geschossen habe. Da habe ich genau rein getroffen.“

Ich: ... geh ganz in dieses Gefühl hinein ... geh wieder ganz in diese Situation ... seh, was es in diesem Moment zu sehen gibt ... höre, was es zu hören gibt ... nimm wahr, was es dort wahrzunehmen gibt, und fühle das Gefühl, das du dabei spürst ... (er ist stolz) und vielleicht gibt es ein Wort (oder ein Satz), das dazu gehört ...

David findet die Wörter: „hinein getroffen“.


Nachdem gemeinsam diese Stärke gefunden und erfahren wurde, können diese Vorstellungen mit einer „lebendigen Metapher“; wie einem Stück Holz, einem Stein etc. verbunden werden.

Diesen Gegenstand kann das Kind/der Jugendliche mit nach Hause nehmen, damit es sich immer wieder an dieses gute Gefühl erinnern kann, wenn dies gebraucht wird.



Ich: „ Immer wenn Du diesen Stein in der Hand hälst, spürst Du wie Du denn Ball trittst .... und er genau ins Tor trifft. ...Du siehst wieder ... wie der Ball genau ins Tor geht... hörst, wie die Anderen um Dich herum jubeln ... spürst, wie stolz Du dich dabei fühlst ... das kannst Du alles immer wieder erleben, wenn Du den Stein in die Hand nimmst.“


Die Metapher und der Stein begleiteten David von da an. Dies und eine Umschulung in eine leichtere Schule (seiner Intelligenz angemessen) sowie das Finden von Freunden und eine vermehrte Zuwendung durch den Vater ermöglichten es David, trocken zu werden.


Der innere Ratgeber und Helferfiguren

 

Eine weitere, sehr schöne Möglichkeit, vor allem mit Jugendlichen Lösungen zu finden, ist es, den inneren Ratgeber aufzusuchen.

Jede Frage kann ihm gestellt werden. Während Jugendliche Lösungen von Erwachsenen meist nicht annehmen (meist sind sie auch nur bedingt geeignet für die Welt des Jugendlichen), können Sie selber eine viel passendere Lösung finden. Der Ratgeber kann ein weiser Mann, eine weise Frau, ein Held, ein Tier oder irgend jemand sein, den der Jugendliche bewundert. Auch kann der Ratgeber eine Figur aus Film, TV, Computerspielen und Bücher sein.

Der Ratgeber ist ein Selbstanteil, der weise und erfahrener ist. Hier gehen die Weisheiten der Erwachsenen bzw. vorgestellten Erwachsenen mit ein. Die Ideen, die hervorgebracht werden, sind gut umzusetzen und praktikabel.


Ein Mädchen, Sofie, 13 Jahre, kam in die Therapie, da sie drohte sich umzubringen, wenn sie zu ihrem leiblichen Vater gehen müsse. Sie war sehr wütend auf den Vater, da dieser ihre Mutter wegen einer anderen Frau verlassen hatte. Sowohl die Mutter, der neue Partner der Mutter und vor allem der Großvater mütterlicherseits waren der Ansicht, dass es für das Mädchen schlimm sei, wenn sie den Vater besuchen müsse. Der Besuch von Sofie wollte nun der Vater gerichtlich verfügen. Eine Gerichtsverhandlung stand an. Sofie erklärte vor der Trennung der Eltern, vor zwei Jahren, habe sie sich gut mit dem Vater verstanden. Nun wolle Sie nicht mehr zu ihm. Sie sei traurig und wütend auf den Vater. Er sei schuld an der Trennung und habe die Mutter sehr traurig gemacht. Auch zahle er noch nicht mal ihre Zahnspange. Dies habe ihr die Mutter erzählt.


Das Mädchen fand in Trance einen Ratgeber, den Held aus dem Film „ Drachenzähmen leicht gemacht“ mit Namen Hicks. Hicks ist ein Junge, der den Krieg zwischen Drachen und Menschen beendet hat, indem er mit einem Drachen mit Namen „Ohne Zahn“ Freundschaft schloss und die Erwachsenen überzeugte, von nun an in Frieden mit den Drachen zu leben.

Hicks riet ihr, den Drachen „Ohne Zahn“ (als Helferfigur) mit zur Gerichtsverhandlung zu nehmen.

Mit dem Drachen „Ohne Zahn“ zusammen konnte sie sich vorstellen, diese Situation durchzustehen. Sie sagte nach der Trance: „Ohne Zahn“ kann mich schützen, egal wie die Verhandlung ausgeht. Er steht mir bei, auch wenn ich zum Vater gehen muss. Vielleicht wird es sogar gar nicht so schlimm. Früher hatte mein Vater und ich viel Spaß miteinander“.


Beliebt bei Kindern und Jugendlichen als Ratgeber sind derzeit Joda aus Star Wars oder auch Obi-Wan Kenobi. Legolas, Ariwen, Gandalf oder Streicher aus Herr der Ringe, Dumbledore aus Harry Potter, die Transformers, Feen und Einhörner, aber auch Garfield, Edward aus Twilight, Balu, der Bär aus dem Dschungelbuch etc..


Ich habe noch nie einen Jugendlichen getroffen, dessen Ratgeber ihm schlechte Ratschläge gegeben hätte: wie Drogen nehmen, Alkohol trinken, die Schule hinschmeißen etc..

Auch wenn Jugendliche sich sonst gerade bei den genannten Themen von Erwachsenen meist wenig raten lassen, in der Trance mit ihrer eigenen Weisheit konfrontiert und im gemeinsamen Raum mit dem Therapeuten entstehen Lösungen, die produktiv und lebensbejahend sind.


Selina, 9 Jahre alt, die unter einer Bindungsstörung und einer Posttraumatischen Belastungsstörung litt, hatte Angst, wenn sie alleine in ihrem Zimmer war. Sie fand in Trance in ihrem geheimen Garten ein lebendiges riesengroßes „Schleichpferd“, auf dem sie reiten konnte. Dieses Pferd konnte im Verlauf der Trance fliegen und wurde zum Zauberpferd. Dazu gab es die Fee Emma, die schöne blaue Flügel und orangene Haare hatte, und die Feenprinzessin Eugenie, die überall bunte Blumenmuster auf der Haut hatte. Die Feen und das Zauberpferd feierten zusammen ein Geburtstagsfest. Sie aßen zusammen von den Bäumen im Garten und es war kuschelig und sicher.


Die Fee Emma, Feenprinzessin Eugenie , aber auch das fliegende Zauberpferd begleiteten Selina von diesem Zeitpunkt an und halfen ihr, wenn sie sich einsam fühlte und Angst hatte.

So gelang es ihr wieder alleine, mit weniger Angst, in ihrem eigenen Zimmer zu schlafen.


Literaturverzeichnis:

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Kaiser Rekkas A. (2016) Wie eine Eins- Prüfungen erfolgreich bestehen. 2 Hypnoseanleitungen. Audio-CD. Heidelberg: Carl-Auer Verlag

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Lemke B: Kreative NLP- Formate. Bod 2012

Mills, Joyce C & Crowley, Richard J (2011) Therapeutische Metaphern für Kinder und das Kind in uns. Heidelberg: Car Auer Verlag

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Olness, K. & Kohen. P. (2006) Lehrbuch der Kinderhypnose und Hypnotherapie. Heidelberg: Carl Auer Verlag

Retzlaff R (2008). Spielräume: Lehrbuch der Systemischen Therapie mit Kindern und Jugendlichen. Stuttgart: Klett-Cotta Verlag

Signer-Fischer S. Gysin, Thomas & Stein U. (2009). Der kleine Lederbeutel mit allem drin. Hypnose mit Kindern und Jugendlichen. Heidelberg: Carl-Auer Verlag

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Wilk D. (2007) Ein Käfer schaukelt auf einem Blatt: Entspannungs- und Wohlfühlgeschichten für Kinder jeden Alters. Heidelberg: Carl-Auer Verlag

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Ziegler Ch. (2001). Aufmerksamkeitsstörung bei Kindern. Leben Lernen 146. Stuttgart: Pfeiffer bei Klett-Cotta

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