Kinderhypnose

Arbeiten mit der Counter-Trance

Kinder finden ihre eigenen Lösungen, wenn wir Erwachsene sie lassen und im besten Fall noch dabei unterstützen. So finden sie oft bessere, passendere Lösungen, als dies Erwachsene könnten. Hierfür kann das Konzept der Counter-Trance (Vas J. 1993) herangezogen werden.

Als Counter-Trance wird die fließende Interaktion zwischen Patient und Therapeut verstanden (Stricherz in Vas 1993 ).

Wenn Patient und Therapeut aufeinandertreffen, muss der Therapeut dem Auf und Ab, des Patienten folgen. Der Therapeut gerät so auch in Trance, was dem Zweck dient, sich auf die Gefühlszustände des Patienten einzustellen.

Diese empathische Trance ähnelt der im Schamanismus verwendeten Heiltrance, bei der der Schamane gegen die bösen Zaubermächte im Inneren des Kranken vorgeht (Roheim 1932 in Vas 1993).


Die Counter-Trance nach Josef Vas (1993) wurde zunächst für die Behandlung von Psychosen eingesetzt. Sie kann aber bei jeglicher Form der Hypnose verwendet werden. So begibt sich der Therapeut in eine intersubjektive Verbundenheit bzw. Verschmelzung mit dem Patienten, die vom Therapeuten kontrolliert wird. Das damalige Konzept bestand darin, den Patienten mit dieser Verschmelzung aus der Tiefe seiner „Regression herauszuholen“.

Hierbei verwendet der Therapeut die Sprache der Primärprozesse des Patienten (Lavoie &Elie 1985) oder metaphorische Umschreibungen (Grodon 1978 in Vas 1993).

Auf diesen Weg findet der Patient Widerspiegelung. Die innere Realität des Patienten wird vom Therapeuten geteilt. Die Counter-Trance kann mit offenen Augen durchgeführt werden. Dies kann ein Gefühl von Sicherheit und Selbstkontrolle ermöglichen.


Wir gehen davon aus, dass Kinder von Natur aus, oft noch mehr als Erwachsene, in ihrer eigenen Welt leben. Sie sind noch viel näher am Symbolischen wie Erwachsene. Sie sehen das Pferde, das eigentlich ein Stuhl ist. Sie springen von Sofa zu Sofa, um nicht in die Lava zu fallen, die der Boden darstellt. Oder kämpfen als Cowboys gegen feindliche Indianer, die für uns Erwachsene nur Bäume oder Büsche im Garten sind.

Kinder und Jugendliche gehen oft von sich aus, mit offenen Augen, in Trance. Völlig spontan tun sie dies aus ihren natürlichen kindlichen Bedürfnissen. Therapeut und Kind treffen sich in einem Zustand, der für Kinder selbstverständlich ist. Manchmal stehen Kinder in der Trance auf, gehen herum, spielen ihre innere Vorstellung und sind dabei völlig in eine Trancewelt eingetaucht. In sekundenschnelle können Sie zwischen Trance und Wachbewusstsein wechseln.

Gehen wir vom Konzept der Countertrance aus (Vas, J 1993) können wir auf diese Weise gut in die Lebenswelt und Phantasiewelt des Kindes eintauchen. Therapeut und Kind gehen zusammen in eine Trancewelt, in einen Zwischenraum, indem beide, Therapeut und Kind, Dinge sehen, erleben, die ein Ausenstehender nicht sieht oder erlebt. Dieser Zwischenraum wird gemeinsam gestaltet. 

In dieser gemeinsamen Trancewelt ist alles Möglich, was im Wachbewusstsein häufig zu schwer ist. Hier gibt es keine Schranken, keine Begrenzungen, kein Gefühl des Unmöglichseins oder der Unzulänglichkeit.

Das Unbewusste des Therapeuten arbeitet mit dem Unbewussten des Kindes, des Jugendlichen, zusammen. Die Weisheit des Unbewussten des Kindes und die des Therapeuten ergänzen sich und finden zusammen ganz neue Wege.



Schon Erickson Milton H. (1989) hatte einen natürlichen Respekt vor den Fähigkeiten aus der Kindheit.

Er zeigte eine große Bereitschaft, unbewusst in Kontakt mit seinem inneren Kind zu kommen. Milten H. Erickson (1989) berichtet, dass er bei einer Schreibhemmung in Trance ging. In diesem Zustand nahm er sich alte Comichefte und begann diese zu lesen. Beim nächsten Schreibversuch war die Schreibhemmung überwunden.

Die eigenen kindlichen Anteile des Therapeuten sind ein wesentlicher Aspekt um mit dem Kind in Kontakt zu kommen. Das Kind, das der Therapeut früher war, seine Fähigkeiten und Ressourcen werden genauso hervorgeholt, wie die erwachsenen Anteile des Therapeuten. Dazu kommen die Ressourcen des Kindes. Gemeinsam können nun in der Trance neue Möglichkeiten gefunden und erschaffen werden.




Neues Beispiel: Selina 9 Jahre, litt unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung, da ein fremder Mann sie versucht hatte in sein Auto zu zerren. Beim Wegrennen fiel sie hin und verletzte sich am Bein. Sie hatte anschließen Angst alleine zu sein, hatte Albträume, litt an erhöhter Erregung und hatte Wutanfälle.


Ich: heute wollen wir in der Vorstellung gemeinsam an einen schönen Ort gehen...

Selina: gut

Ich: Mach es dir bequem

Selina: wenn ich aufrecht sitze bin ich entspannt

Ich: OK. nimm einfach die Haltung ein, die angenehm ist und es dir leicht macht in deine innere Welt zu gehen..magst du die Augen zu machen?

Selina: nein, ich lasse sie offen

Ich: OK. Dann kannst du einen Weg vor dir sehen.. der geht langsam nach unten... bis ans Meer

Selina: da sind fliegende Autos

Ich: OK. fliegende Autos.. welche Farbe haben sie?

Sie lacht: bunt. Sie fliegen über dem Meer

Selina schaut nach rechts

Ich: ah ..Sie sind rechts

Selina: hmmmm ja.. das sieht lustig aus..

Ich: OK. schau sie dir an wie sie übers Meer fliegen, ganz bunt..


Bei einer anderen Trance ging Selina in ihren geheimen Garten..

Ich: und jetzt kannst du in deinen Garten gehen..

S: da ist ein Hase

Ich iritiert: Ein Hase?

S: ja ein Hase ..man kann ihn durch das Tor sehen..

Ich: ah .. ach so ein Hase.. dann geh hinein zu ihm...

S: ja..die Erdbeeren sind nicht mehr da

Ich iritiert: Welche Erdbeeren?

S: na die Erdbeeren vom letzten Mal

Ich: ach so die.. Und was ist da denn noch zu sehen?

Ist da auch eine Wiese?

S: ja

Ich: dunkelgrün oder hellgrünn oder..

S: Knallgrün

Ich: ja natürlich knallgrün...


Ein anderes Mädchen, Lisa 14 Jahre, hatte Trennungsangst. Sie wollte nicht auf Klassenfahrt fahren und der Schulbesuch fiel ihr schwer, da sie immer wieder Angstzustände hatte, die nur aufhörten, wenn Sie zu Hause war. Sie hatte die Angst Einbrecher könnten ihre Mutter angreifen und töten. Lisa fand in Trance ihre Heldin Katniss aus „Die Tribute von Panem“, die mit dem Bogen gut umgehen kann. In der Trance erschoss ihre Heldin die Einbrecher. Das Mädchen konnte daraufhin bei ihren Freundinnen übernachten und auf Klassenfahrt fahren.

Oliver, ein 12 jährige Junge mit einer reaktiven Bindungsstörung und einer Posttraumatischen Belastungsstörung aus Sri Lanka, der bei einem Autounfall schwer verletzt wurde und immer wieder operiert werden musste, ging nicht mehr alleine aus dem Haus. Er suchte sich als Helferfigur Tarzan aus. Tarzan bekam im Verlauf der Trance Flügel und konnte ihn in seiner Vorstellung ganz schnell aus ängstigenden Situationen herausholen. Mit Tarzan an der Seite gelang es ihm wieder alleine Straßen zu überqueren und in die Schule zu gehen.

Therapeut und Kind/Jugendlicher gehen beide den selben Weg und sehen, hören, fühlen, riechen was sie umgibt und tauschen sich darüber aus. Gemeinsam finden sie das Bild, den Raum den sie gemeinsam entwickeln. Es ist ein ständiges Anpassen aneinander, ein miteinander gestalten. Mal geht der Therapeut vor - mal geht das Kind vor. Gemeinsam überwinden sie Hindernisse und finden Lösungen


Literaturverzeichnis:

Bandler R. und Grider J: Therapie in Trance, Stuttgart: Klett –Cotta Verlag 1992

Bandler R & Grinder J: Refraiming, Paderborn: Jungfermann Verlag 2012

Erickson M. & Rossi E: Hypnotherapie, München: Pfeiffer Verlag 1989

Holtz K. & Mrochen S: Einführung in die Hypnotherapie mit Kindern – und Jugendlichen. Heidelberg: Carl-Auer Verlag 2005

Kossak H: Hypnose –Lehrbuch für Psychotherapeuten und Ärzte: PVU 2004

Mrochen S. & Holz K.: Die Pupille des Bettnässers: Carl Auer Verlag 1993

Vas J.: Hypnose bei Psychosen. München: Quintessenszverlag 1993r Text


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